CHRISTIANE PESCHEK - BLUSH TALES
14.5. - 26.06.2022
Von Sonja-Maria Borstner
Die erste Einzelausstellung von Christiane Peschek bei Kunst & Denker Contemporary versammelt neue Werke der Künstlerin, die sich in ihrer „Bluriness“ zwischen Fotografie und Malerei verorten. Portraits mit fehlenden Augen, aufgeblasenen, zum Teil lackierten Lippen und erröteten Wangen, gerahmt von unterschiedlichen Haarfarben, -längen und -frisuren, verwischen auf den haptischen Bildoberflächen zu weichgezeichneten Körperlandschaften. Doch was liegt hinter diesen verschwommenen Kompositionen verborgen? Als Avatare der Künstlerin zirkulieren die stark manipulierten Fotografien um autobiographische und fiktionale Identitätsentwürfe von Jugend und beschäftigen sich retrospektiv mit vergangenen Körpertrends, sowie normativen Geschlechts- und Genderrollen, die bis heute insbesondere generische Narrative von Weiblichkeit reproduzieren.
„I claim my right to be blurry“, so beschreibt Peschek die Nutzung von Unschärfe in ihren Selbstportraitierungen, welche – in Zeiten von High-Resolution-Screens, porentiefen Nahaufnahmen und Kategorisierungen durch Hashtags auf sozialen Medien – zum politischen Statement wird, das unser algorithmisiertes Sehen off- und online herausfordert. Seit 1996 pflegt die Künstlerin ein Archiv an Selbstportraits und Selfies – welches sie in verschiedenen Publikationen (Hyperia, fortlaufend) archivierte – das als Rückgrat aller ihrer Arbeiten verstanden werden kann. Diese Bildvorlagen dienen ihr als Ausgangspunkt für einen digitalen Retusche- und Optimierungsprozess am Smartphone, in dem sie sich durch Berührung des Screens am originalen Bildmaterial abarbeitet. Peschek interessiert dabei was passiert, wenn der Selbstoptimierungsprozess zum Fetisch wird, und wenn Pixel – ähnliche des Pigments auf der Leinwand – Handbewegungen folgen und sich zum Teil zu verzerrten Kompositionen verflüssigen. Ihre langjährige Auseinandersetzung mit Bildbearbeitungsprozessen und Darstellungen des digitalen Selbst fußt zum einen auf einer Faszination am Digitalen als Quelle unendlicher Identitätsfragmente, und wirft zum anderen einen kritischen Blick auf die Trugbilder dieser Onlinerepräsentationen. Denn die Zugänglichkeit von körperverändernden, digitalen Werkzeugen und Filtern in sozialen Netzwerken ermöglicht es heutigen Nutzer*innen nicht nur mit einer Berührung (einem „Wisch“) ihre physische Erscheinung zu bearbeiten, sondern so auch einem idealisierten Sehnsuchtsort von Jugend und Perfektion näher zu kommen, der in BLUSH TALES zur Verhandlung steht.
Jene stark manipulierten Vorstellungen des Ichs stehen besonders bei Jugendlichen in Kontrast zu den emotionalen und verletzlichen Aspekten des Heranwachsens, denen in digitalen Selbstentwürfen oft kein Raum gelassen wird. Zugleich werden beispielsweise Begriffe wie Unschuld, Reinheit, Schönheit und Jungfräulichkeit nicht nur häufig mit Jugend, sondern auch mit Weiblichkeit assoziiert und dienen oft dazu, die Schutzbedürftigkeit junger Frauen zu rechtfertigen, so Sianne Ngai in Our Aesthetic Categories: Zany, Cute, Interesting (2012). Der weiche Flies in der Blush Tales Serie bildet in diesem Sinne nicht nur einen Gegensatz zum flachen, glatten Produktionsort des digitalen Screens, sondern spielt auch mit der ästhetischen Kategorie des Weichen/Niedlichen, die, so Ngai, nicht nur eine Ästhetisierung der Machtlosigkeit darstellt, sondern in der Regel auch „zutiefst mit dem Kindlichen und Weiblichen verbunden ist“. Wie der Titel der Ausstellung bereits erahnen lässt, beobachtet Peschek ihren (Post-)Körper, der sich auf beiden Seiten des Bildschirms verortet, innerhalb dieser scheinbar harmlosen, soften „Tales“ der Jugend, und macht dadurch auf jene Brüche aufmerksam, die hinter dem verschwommenen Blick dieser Zeit und seinen kantenlosen Fassaden verborgen liegt.
Christiane Peschek, BLUSH TALES, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Kai Werner Schmidt
Christiane Peschek, BLUSH TALES, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Kai Werner Schmidt
Christiane Peschek, BLUSH TALES, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Kai Werner Schmidt
Christiane Peschek, BLUSH TALES, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Kai Werner Schmidt
Christiane Peschek, BLUSH TALES, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Kai Werner Schmidt
Christiane Peschek, BLUSH TALES, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Kai Werner Schmidt