LOUISA CLEMENT - ONE STEP AHEAD MOVING BACKWARDS
In ihrer zweiten Ausstellung präsentieren Kunst & Denker Contemporary Arbeiten von Louisa Clement (* 1987, lebt und arbeitet in Bonn und Düsseldorf). Clement, die im Mai 2016 ein Stipendium an der Cité Internationale des Arts Paris wahrnimmt, knüpft mit den neuen Fotografien an ihre vielbeachtete Werkserie Heads (2015) an und entwickelt diese weiter. Beim jüngsten Sommerrundgang der Düsseldorfer Akademie sah man sich in der Klasse von Andreas Gursky von insgesamt 50 Köpfen umgeben: ein Fries aus einzelnen Porträts, Porträts ohne Gesichtszüge, mit glatten Oberflächen, ohne Münder, Nasen oder die vielgepriesenen Seelenspiegel. Einen konzeptuellen Ansatz verfolgend hatte Clement in etlichen Großstädten Europas über viele Monate hinweg Schaufensterpuppen fotografiert, Farbigkeit und Kontraste überarbeitet und jeder Aufnahme so eine eigene, individuelle Prägung verliehen. Menschlich-unmenschlich, »geschlechtslos und stilisiert« wurden die Köpfe »zu neutralen Chiffren für das menschliche Haupt allgemein« (Sven Beckstette). Und doch: Hielt man sich länger in dem Raum auf, verloren die Heads ihre Neutralität, fühlte man sich angeschaut, entstand Blickkontakt. Pandora, E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann, Atgets Figurinen einer um 1900 bereits etablierten Schaufensterkultur, die Dadaisten, Surrealisten, De Chirico und nicht zuletzt Oskar Schlemmer – all diese Vergleiche mögen einem während des tête-à-tête berechtigterweise einfallen, doch können sie die verführerische Präsenz nicht bannen, die unter der samtenen Oberfläche der Prints verborgen scheint. Unter dem Titel Headlong fertigte Louisa Clement für Kunst & Denker Contemporary nun exklusiv eine Edition, die nicht nur dem Titel nach einen Bezug zu ihrer Abschlussarbeit offenbart. Die vier neuen Köpfe sind ähnlich präsent und en face ins Bild gesetzt, doch weichen die Oberflächen einer stärkeren Stofflichkeit: fein gemasertes Holz, die Muster gröberer Gewebe oder graphisch gestaltete Kunstfaser bilden die “Haut“ der abfotografierten Puppen. Sie sind selbst zu Designobjekten geworden, so als hätte der Warenfetisch seine stummen Diener affiziert. Wo endet die Ware und wo beginnt das Ready-made? Wo verläuft die Grenze zwischen Designobjekt und Skulptur? Dass Mode, Stoff, Oberfläche, Haut wiederkehrende Themen in Clements Werkzyklen sind, verdeutlicht das „ahead-backwards“ im Ausstellungstitel. Schon in der 2013 begonnen Serie sp, die sich mit Selbstinszenierungen – geshared, geliked, getwittert – auseinandersetzt, fokussiert Clement Transformationen des Körperlichen im Virtuellen. Die Close-ups getragener Textilien erzählen in jeder Faltenwendung von der darunterliegenden Wärme, als seien die Körper in die zweite Haut gesickert und in die künstlichen Surrogate eingezogen – aus spielerischer Lust am Indirekten oder aus Selbstverlustängsten im Direkten des RL. Und muss ich mich tatsächlich ins Real Life vorwagen, bleiben mir immer noch die bunt spiegelnden Gläser meiner Ray Ban (flash, 2015), um Blickkontakte zu vermeiden. Menschliche Präsenz im Künstlichen auf der einen, künstliche Präsenz im Menschlichen auf der anderen Seite: Vielgestaltig reflektieren Louisa Clements Arbeiten die Lebensbedingungen und Themen einer westlichen, urban geprägten Generation am Beginn des 21. Jahrhunderts. Ihre Werke basieren auf Beobachtungen und Fundstücken des Alltags. In konzeptueller Annäherung entwickeln sich hieraus Fragestellungen und Bildlösungen, die unter die Oberflächen, ins Subkutane zielen.
Louisa Clement, ONE STEP AHEAD MOVING BACKWARDS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al Mosawi
Louisa Clement, ONE STEP AHEAD MOVING BACKWARDS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al Mosawi
Louisa Clement, ONE STEP AHEAD MOVING BACKWARDS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al Mosawi
Louisa Clement, ONE STEP AHEAD MOVING BACKWARDS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al Mosawi
Louisa Clement, ONE STEP AHEAD MOVING BACKWARDS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al Mosawi