MARTIN DENKER
(English below)
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Aufgewachsen in der Nähe von Hamburg, studierte Martin Denker von 2001 bis 2006 bei Thomas Ruff an der Kunstakademie Düsseldorf wo er 2006 zum Meisterschüler wurde. Er arbeitete von 2002 bis 2006 als Assistent von Andreas Gursky. In seiner neusten Werkserie kOS widmet sich Martin Denker dem Chaos im 21. Jahrhundert.
kOS
Die Materie des 21. Jahrhunderts wirkt instabil:
Naturkatastrophen, Bevölkerungsexplosion, Globalisierung, systemische Krisen in Politik, Gesellschaft und Individuum - all dies digital erleuchtet vom paradoxen Informationsüberfluß der Gleichzeitigkeit von Information. In der Geschichtswissenschaft wird die Theorie des Chaos zur Beschreibung von Krisen und Übergangszuständen verwendet. In der Mythologie entsteht aus dem Chaos das Leben, aus dem Geist die Materie: die Gottheiten der Erde und des Himmels, die mit unstillbarer Energie Form hervorbringen. Energiezufuhr erzeugt in natürlichen Systemen Wachstum und Komplexität. Komplexität führt zu Instabilität. Instabilität schafft Sensibilität. Wenn ein natürliches System einen gewissen Grad an Wachstum erreicht hat, zeigt es chaotische Verhaltensweisen, indem es selbst auf kleinste Kräfte derartig sensibel reagiert, daß es sich in einem Dialog mit sämtlicher Energie des Universums befindet: sei es ein Stern, der erlischt, oder ein Pfennig, der zu Boden fällt. Im Dialog mit ALLEM scheint Materie mit unproportionalen Reaktionen den dynamischen Geist eines freien Willens zu entwickeln - und zu handeln. Sie ist nicht mehr berechenbar. Der moderne Mensch hat die Phantasie des freien Geistes und des eigenen Willens. Wir meinen, als Subjekte individuell zu handeln. Wir denken, wenn wir einen Apfel losließen, würde er zu Boden fallen. Wir glauben, daß ein kleines Universum wie ein Uhrwerk funktioniert. Das Chaos ist jene Stelle, an der der Vorhang dünn wird und wir hindurchsehen können auf die andere Seite. Die Frucht der Erkenntnis fällt nicht unbedingt. Zumindest gibt es Apparate, die ähnlich simpel sind wie ein Apfel, sich jedoch jeglicher Berechenbarkeit entziehen und somit unser materielles Weltbild erschüttern. Der Apfel würde hinter dem Vorhang tanzen. Jene Apparate schöpfen mit unstillbarer Energie immer neue Form - jeden Moment entsteht ein unwiederbringliches Bild im Bewußtsein eines Universums, das alles andere ist als ein berechenbares Uhrwerk, aber in dem alles immer miteinander in Verbindung steht: Diese Bilder können mit Hilfe des Lichts aufgezeichnet werden. Der Mensch wird Zeuge von Schöpfung. Die Götter würfeln. Wenn ein instabiles, mechanisches Pendel freien Geist und eigenen Willen zu haben scheint, um sichtbar sinnvolle und höchst ästhetische Handlungen zu vollziehen, ist dann der Mensch, der infolge von Energiezufuhr und Wachstum in der Komplexität ebenso instabil wird, auch ein sensibler Apparat und seine Handlung nur eine Reaktion? Hat Materie Geist oder ist sie Geist? Der vernetzte Mensch, der gewissermaßen mit ALLEM synchron im Dialog und in Verbindung steht, erfährt die Welt nicht mehr linear, sondern chaotisch. Jede Information und jeder Gedanke, der per Knopfdruck aus irgendeinem weiten Teil des Systems zu ihm dringt, bewegt ihn zu beliebigen Zeiten fremdbestimmt: Unsere Wahrnehmung entspricht der des Pendels. Wir können betrachten, aber nicht fassen, und das erzeugt Demut. Auch der hochkomplexe Mensch ist kein isoliertes Individuum, das durch eine materielle Hülle begrenzt ist. Wir sind Teil eines Ganzen, das sich aus unserem Körper hinaus in alles andere hinein erstreckt, auf dessen Energien wir sensibel reagieren - und das in gleichem Maße sensibel auf uns reagiert. Wenn ein Apparat dieses Bewußtsein entwickeln kann, kann es der Mensch auch. Die Bilder des kOS, des kinetischen OS, zeigen Reduktion als die erstaunlichste Eigenschaft des Chaos: in letzter Instanz wird aus dem Bewußtsein seiner Irrationalität immer die höchste Harmonie neuer, universeller Ordnung emporsteigen. In der Mythologie ist das Chaos der Anfang des Kosmos: die wüste Leere des Geistes, die sich nur füllen kann, weil sie frei und unausgefüllt ist. In der Geschichtswissenschaft wird die Theorie des Chaos einst zur Beschreibung einer epochalen Erschütterung verwendet werden, die einen Übergang vom Zeitalter des materiellen zum geistigen Menschen markierte.
Der Geist des 21. Jahrhunderts wird sich stabilisieren:
Bewußtsein von Einheit, Zusammenhalt, Verbundenheit, Maß und Ausgewogenheit in Politik, Gesellschaft und Individuum - all dies erleuchtet vom Einklang synchronisierter Schwingungen eines vernetzten, schöpferischen Betriebssystems, das in der Unendlichkeit pendelt.
kOS
The matter of the 21st century seems unstable:
Natural disasters, population explosion, globalization, structural crises in politics, society, and the individual—all of these elements digitally illuminated by the paradoxical information overload of the simultaneity of information. The study of history employs chaos theory to describe crises and transition periods.
In mythology, life emerges from chaos, and matter from mind—the deities of heaven and earth generate forms with their inexhaustible energy. Increasing energy produces growth and complexity in natural systems. Complexity leads to instability. Instability creates sensitivity. When a natural system has reached a certain level of growth, it begins to exhibit chaotic behavioral patterns, whereby it reacts so sensitively to the smallest forces that it finds itself in dialogue with all the universe’s energies—be it a star that has expired or a penny falling to the ground. In dialogue with EVERYTHING, matter’s disproportionate reactions seem to develop a dynamic mind with a free will—and the ability to act. Its no longer predictable. Modern humans hold the fantasy of a free mind and will. We believe that we act individually as subjects. We think that when we let go of an apple, it will fall to the floor. We think our little universe runs like clockwork. Chaos is the point where the curtain has worn thin and we can see through to the other side. However, these insights do not always bear fruit. There are at least some apparatuses which appear to be as simple as an apple, but which nonetheless evade any kind of predictability, shaking up our material image of the world. As though behind the curtain, the apple were dancing. Such apparatuses create new forms with their own inexhaustible energies—each moment produces an irretrievably transient image in the consciousness of a universe that is anything but clockwork, but in which everything is nonetheless connected: these images may be captured through light. Man becomes a witness to creation. The gods roll their dice. If an unstable, mechanical pendulum appears to have a free mind and will, directed at performing meaningful and highly aesthetic acts, then couldn’t humans, which have become just as unstable due to their energy and complexity, simply be apparatuses, and all their actions simply reactions? Does matter have a mind, or is it mind itself? The networked human—who in a way is simultaneously in dialog with EVERY THING and connected to them—no longer experiences the world linearly, but chaotically. Every piece of information or thought sent to them from some far edge of the system with the push of a button arbitrarily makes them more heteronomous—our perception corresponds with the pendulum’s. We can observe, but we cannot comprehend, and that makes us humble. Even the highly complex human is not an isolated individual, defined by their material shell. We are part of a whole, which extends out of our own bodies and into everything else, whose energies we sensitively respond to—and which respond just as sensitively to us. If an apparatus can develop such consciousness, then certainly a human can too. The images of kOS (kinetic Operating System) show reduction as the most astounding characteristic of chaos: ultimately, a higher harmony of a new, universal order will always ascend from the awareness of irrationality. In mythology, chaos is the beginning of the cosmos: the deserted emptiness of the mind, which can only fill itself because it is free and empty. In the study of history, chaos theory will one day be used to describe an epochal convulsion, marking the transition from the age of matter to that of conscious humans.
The mind of the 21st century will stabilize:
Consciousness of oneness, solidarity, connectivity, proportion and balance in politics, society, and the individual—all of which are illuminated by the harmony of the synchronized vibrations of a creative, networked operating system, oscillating into eternity.