RALF BRUECK - DISAPPEAR
20.02. - 8.05.2021
Von Ann-Katrin Günzel
Der Düsseldorfer Künstler Ralf Brueck zeigt bei Kunst & Denker Contemporary vom 20.2. – 8.5.2021 mit der Ausstellung „Disappear“ beeindruckende Naturschauspiele – gewaltig in die Tiefe stürzende, von dichter Gischt vernebelte Wassermassen der Niagara Fälle, ein dickes Knäuel zusammengeballter Wolkenmassen, die sich wie ein Feuerball am Himmel erheben; die mächtige Brandung des Atlantiks oder bizarre Formationen einer Tropfsteinhöhle. Es ist die Natur in ihren elementaren, beständig vorhandenen Formen von Wasser, Feuer, Luft und Stein, gleichzeitig aber sind es mehr oder weniger flüchtige Formen und Formationen, die zum Teil nur im Moment der Fotografie vorhanden sind und sich außerhalb dessen ständig verändern oder gar verschwinden und demnach heute so wie wir sie hier vor uns sehen gar nicht mehr existieren. Dennoch stellt Brueck das flüchtige Bildmotiv in einer wie modelliert wirkenden Monumentalität dar, so als ob er sichtbar machen wolle, dass das Verschwinden als natürlicher Prozess dazugehört und als solcher von Dauer ist. Er erschafft Ewigkeiten im Chaos der ständigen Veränderungen, gerade weil er zeigt, dass es die Bildmotive nur für diesen einen Moment gegeben hat. Wenn überhaupt.
Ralf Brueck hat an der Kunstakademie Düsseldorf zunächst in der Klasse von Bernd Becher und anschließend als Meisterschüler von Thomas Ruff (2000-2002) Fotografie studiert. Nach einigen Reisen u.a. quer durch die USA hat er seine Erfahrungen mit der Düsseldorfer Fotoschule um die amerikanische „New Color Photography“ erweitert, Farbe als künstlerisches Mittel eingesetzt und die Bilder digital bearbeitet. Farbe und Verfremdung werden damit zu einem Werkzeug, das der Künstler anwendet, um die Realität nicht abzubilden, sondern ihr eine eigene Prägung zu verleihen. Anstelle eines Pinsels benutz er Pixel, zieht in die Länge, verzerrt und färbt die Bildergebnisse nach Belieben. So prägt er sie nach und mit seinem Blick.
Brueck konzentriert sich dabei auf die Elementarkräfte der Natur, auf Phänomene und Erscheinungen, die wir kennen, die aber in dieser Intensität nicht gerade unseren Alltag bestimmen, sondern zu denen wir zum Teil sogar extra anreisen, um uns von ihrer Schönheit überwältigen zu lassen. Dicht zusammengeballte Kumuluswolken (Cluster, 2021) kennen wir vielleicht noch am ehesten – wenn auch nicht unbedingt in dieser Form – aber das lila schillernde, fast außerirdische Gestein der Tropfsteinhöhle (Liquid Cave, 2021) oder ihre wie ein zuckriges Marshmallow geformten Stalaktiten (Candy Cave, 2021), die sturmgepeitschte, aus der umgedrehten Surferperspektive wahrgenommene Atlantikwelle, die als Naturgewalt heranrollt (Wave 2021) oder die schier undurchdringliche Gischt der Niagara Fälle (Niagara Falls, 2026) sehen wir nur selten. Brueck nimmt diese Motive auf, fügt ihrer momentbezogenen Dramatik aber durch Farb- und Formveränderungen eine exotische Verfremdung hinzu. Die Reise zu diesen Orten erfolgt ins Innere der Bilder. Brueck lässt die von ihm aufgesuchten Orte ungenannt, sie stehen exemplarisch für Landschaftsphänomene, die einen elementaren Eindruck wiedergeben sowie einen emotionalen Zugang und Assoziationen mit anderen Dingen und Phänomenen erlauben. Die Bildtitel beziehen sich zumeist auf die Struktur der Motive, Cluster oder Candy bauschen sich geballt, weich und formbar, liquide ist die fließende Struktur der Tropfsteinhöhle. Das Bild der Natur, das Brueck uns hier präsentiert geht damit über das Gezeigte hinaus. Durch ihre Umwandlung ins Bild wurde Natur immer schon als etwas Ästhetisches verstanden und im ästhetischen Blick künstlerisch verwandelt. Das kann durch digitale Verformung und Färbung gesteigert werden, oder schon durch Veränderung der Größenverhältnisse geschehen, wenn z.B. die unendliche Weite einer amerikanischen Landschaft im Bild ganz klein wird, damit man sie überhaupt überblicken kann (Vermillion, 2021). Ebenso wie die Malerei ein vermitteltes Bild darstellt, ist auch die Fotografie ein künstliches, ein bereits mit Erfahrung, Wünschen und Sehnsüchten, mit Ängsten und Katastrophen aufgeladenes Bild. Und so wird die Öffnung der Tropfsteinhöhle einerseits kathedralhaft ins Architektonische erweitert, zugleich aber zur süßen Verlockung, das Wolkenknäuel steigt wahrhaft überirdisch und bedrohlich in einen strahlenden Barockhimmel auf, und die Welle kippt sprichwörtlich mitreißend in der Gewalt der Brandung, die uns so fasziniert, gerade weil die Wassermassen sich ständig neu formieren, unbestimmt sind und unbestimmbar bleiben. Es ist keine katastrophische, sondern eine erhabene Dramatik der Vergänglichkeit, aber auch der Anwesenheit von natürlicher Schönheit und ästhetischer Wahrnehmung, die wir hier sehen. Blicken wir auf die rot glühende Vulkanlandschaft so sehen wir die feuerspeiende Naturgewalt assoziativ in ihrer Abwesenheit und erkennen die Macht der Natur, die bei aller Veränderung, die nicht nur im natürlichen Wandel, den Gezeiten und Zyklen automatisch passiert, sondern auch derzeit in der Zerstörung und der Ausbeutung der Menschen eine brisante und negative Dimension erfährt und die dennoch immer auch ohne den Menschen weiterexistieren wird, denn sie ist Natur, veränderbar, aber in immer neuer Form auch ewig.
The Düsseldorf artist Ralf Brueck shows at Kunst & Denker Contemporary from 20.2. - 18.4. 2021 with the exhibition "Disappear" impressive natural spectacles - mighty water masses of Niagara Falls plunging into the depths, fogged by dense spray, a thick ball of clumped cloud masses rising like a fireball in the sky; the powerful surf of the Atlantic or bizarre formations of a stalactite cave. It is nature in its elementary, constantly existing forms of water, fire, air and stone, but at the same time they are more or less ephemeral forms and formations, some of which are only present at the moment of photography and outside of which are constantly changing or even disappearing and therefore no longer exist today as we see them here before us. Nevertheless, Brueck depicts the fleeting image motif in a monumentality that seems modeled, as if he wanted to make visible that disappearance is part of the natural process and as such is permanent. He creates eternities in the chaos of constant changes, precisely because he shows that the image motifs only existed for this one moment. If at all.
Ralf Brueck studied photography at the Düsseldorf Art Academy, first in the class of Bernd Becher and then as a master student of Thomas Ruff (2000-2002). After several journeys, including across the USA, he expanded his experience with the Düsseldorf photography school to include American "New Color Photography", using color as an artistic medium and editing the images digitally. Color and alienation thus become a tool that the artist uses not to depict reality, but to give it its own imprint. Instead of a brush, he uses pixels, draws in length, distorts and colors the image results as he pleases. In this way, he imprints them with his gaze.
Brueck concentrates on the elemental forces of nature, on phenomena and appearances that we are familiar with, but which do not exactly determine our everyday life in this intensity, but to which we sometimes even travel especially to be overwhelmed by their beauty. Densely clustered cumulus clouds (Cluster, 2021) are perhaps the ones we are most familiar with - though not necessarily in this form - but the purple iridescent, almost alien rock of the stalactite cave (Liquid Cave, 2021) or its stalactites shaped like a sugary marshmallow (Candy Cave, 2021), the storm-lashed Atlantic wave perceived from an upside-down surfer's perspective, rolling in as a force of nature (Wave 2021), or the sheer impenetrable spray of Niagara Falls (Niagara Falls, 2026), we rarely see. Brueck takes these motifs, but adds an exotic alienation to their momentary drama through changes in color and form. The journey to these places takes place inside the paintings. Brueck leaves the places he visits unnamed; they stand exemplarily for landscape phenomena that reflect an elementary impression as well as allow emotional access and associations with other things and phenomena. The titles of the pictures mostly refer to the structure of the motifs, clusters or candy bulge clenched, soft and malleable, liquid is the flowing structure of the stalactite cave. The image of nature that Brueck presents to us here thus goes beyond what is shown. Through its transformation into an image, nature has always been understood as something aesthetic and artistically transformed in the aesthetic gaze. This can be enhanced by digital deformation and coloring, or can already happen by changing the proportions, for example, when the infinite expanse of an American landscape becomes quite small in the picture so that it can be surveyed at all (Vermillion, 2021). Just as painting is a mediated image, photography is also an artificial one, an image already charged with experience, wishes and desires, fears and catastrophes. And so, on the one hand, the opening of the stalactite cave is cathedral-like expanded into the architectural, but at the same time it becomes a sweet enticement, the tangle of clouds rises truly supernatural and threatening into a radiant baroque sky, and the wave tips proverbially rousing in the violence of the surf that so fascinates us precisely because the masses of water are constantly reforming, are indeterminate, and remain indeterminable. It is not a catastrophic, but a sublime drama of transience, but also of the presence of natural beauty and aesthetic perception that we see here. If we look at the red glowing volcanic landscape so we see the fire-breathing force of nature associatively in its absence and recognize the power of nature, which despite all the change that happens not only in the natural change, the tides and cycles automatically, but also currently in the destruction and exploitation of man experiences an explosive and negative dimension and yet will always continue to exist without man, because it is nature, changeable, but in ever new form also eternal.
Ralf Brueck, DISAPPEAR, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Ralf Brueck, DISAPPEAR, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Ralf Brueck, DISAPPEAR, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Ralf Brueck, DISAPPEAR, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Ralf Brueck, DISAPPEAR, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Ralf Brueck, DISAPPEAR, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Ralf Brueck, DISAPPEAR, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi