RALF BRUECK - GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT
(English below)
FEB 22 - MAY 31 2019
Kunst & Denker Contemporary zeigt ab dem 22.2.2019 den Künstler Ralf Brueck, der in seiner jüngsten Werkserie „Synthese“ virtuos und erfindungsreich Ansichten von Kulturlandschaften ins Bild rückt, die auf die irritierende Erhabenheit visueller Künstlichkeit und Wandlungsfähigkeit setzen.
Fast jeder hat schon einmal das ein oder andere Motiv fotografiert: kalifornische Palmenhaine, gepflegte Sukkulentenbeete in Urlaubsressorts, Tropfstein-Höhlen, Waldwege und Baumkronen, Drachenbäume im botanischen Garten, Kirschblüten und wogende Getreidefelder. Doch was vertraut erscheint, erhält in Bruecks Aufnahmen eine alchemistische Verwandlung. Mit einem ungewöhnlichen Auge für Details und Ansichten, mit wenigen Eingriffen und einer waghalsigen Farbpalette entwickelt Brueck ungesehene Vorstellungswelten von Landschaften im digitalen Zeitalter und verschmilzt sie mit einem breiten Repertoire tradierter Pop-Kultur. Noch mehr Aufmerksamkeit als die Originale erregen sorgfältig nachkolorierte, dramatisch in blutrot getränkte Kirschblüten (Nagasaki, 2019). Wie sähe eine Grotte aus, die in „Living Coral“ getaucht wäre, dem Pantone-Ton, der 2019 zu einer der Modefarben des Jahres gekürt wurde (OK Coral, 2018). Oder doch lieber süßes Rosé, dass wie Zuckerwatte oder Pulverschnee das Bild in einen kariösen Augenschmaus verwandelt. Wenn mit Fantastilliarden von Neuaufnahmen Datenunternehmen und Algorithmen an die Stelle von Postkarte, Bildkalender oder Wandtapete treten, muss man vielleicht zu anderen poetischen Praktiken finden. Bereits in früheren Serien wie „DAF“ widmete sich Brueck der farbigen Landschaftsfotografie. Dabei folgte er, als Student der Düsseldorfer Kunstakademie seinen Professoren, Bernd Becher und Thomas Ruff, dessen Meisterschüler er war, zunächst den Spuren und Vorbildern der historisch aufgeladenen, amerikanischen Tradition der New Color Photography. Eine popkulturelle Verankerung seines Denkens spiegelt sich hier bereits in Bildtiteln aus Musik, Film, Comic und Literatur wieder. In den Werkserien „Distortion“ und „Dekonstruktion“ arbeitete Ralf Brueck an der visuellen Auflösung und Weiterentwicklung von Innenräumen und urbanen Räumen. Mit der Präzision eines Chirurgen, der konstruktiven Phantasie eines Architekten, und den Bildideen eines Zeichners, griff er dabei in die digitale DNA des Bildes ein. Pixelartige Anomalien, Datenfehler und Transformierungen, die durch Verzerrungen, Stauchungen, technische Störungen oder Übersetzungsfehler am Computer entstanden, bildeten den Ausgangspunkt für die Erfindung phantastischer und geisterhafter Bildphänomene. „Durch die Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Architektur und urbanen Landschaften in meinen Serien „Distortion“ und „Dekonstruktion“ (2009-2017) entstand plötzlich ein Prozess sich wieder mehr mit der Natur zu beschäftigen, die eher chaotisch ist und nicht so geordnet und starr wie Architektur.Dabei ließ ich mich von der Botanik und der Geologie inspirieren, in der Entstehungsprozesse freier und unkontrollierter sind. Diese Losgelöstheit konnte ich für mich nutzen um freier zu arbeiten. In der neuen Serie „Synthese“ interessierte es mich aber auch das Natürliche durch das Künstliche zu entfremden.“ kommentierte er. Seine erneute Annäherung an das Genre der Landschaft ist nun stärker von einer Lust an einer konzeptuell freieren Gestaltung genährt. Farbfilter oder Farbelemente, die in der digitalen Textur des Bildes liegen, geben dabei den Code vor; die dem realen Bezug zur Gegenstandswelt nicht mehr verpflichtet sind. „Falsches Licht“ und „falsche Farben“ bringen Farne und Gräser zum Tanzen. Bei „Rousseau“ und „Farn Fatal“ wirkt das Blattwerk so perfekt choreographiert, als hätte es ein Schöpfer vor der Aufnahme des Bildes wie ein Studiosetting arrangiert. Ansicht, Nahsicht, Durchsicht: überhaupt wechselt der Fotograf beständig die Rollen und Perspektiven, tritt mal als dokumentierender Beobachter zurück oder schlägt sich wie aus Kleintierperspektive ins Gebüsch. Landschaften wie „Delta Quadrant“ oder „Excalbia“ (2019) erscheinen durch den Einsatz grellfarbiger Filter wie Science-Fiction Szenerien fremder Planeten. „Elba“ (2018) erinnert an mit Infrarotlicht aufgenommene militärisch observierte Wald- und Geländeabschnitte. Mit grell-farbenen Textmarkern überzeichnet, wirbt ein schattiger Palmenhain um höchste Aufmerksamkeit. In Arbeiten wie „Soylent Green“ (2019) und „Blockade“ (2019) verhindert eine designte Barrikaden-Architektur eine unkontrollierte Ausbreitung des Pflanzenwerks. Erst beim zweiten Blick fragt man sich, was sie eigentlich bedeuten könnte, diese Architektur. Wer kennt sie nicht, die mit Lightshows in grelle Farbe getränkten Grotten und Tropfsteinhöhlen? In „Delicious“ (2019) scheinen die Stalaktiten Farbe wie Softeis auszuscheiden. Wo endet Idylle? Wo beginnt das Paranormale? In einer anderen Gruppe von Arbeiten wie „Rousseau“(2019) und „Schlafender Löwe im Gras“ (2019) wird der Tag am Rechner zur Nacht gewandelt. Nachts sind bekanntlich alle Katzen grau und die Phantasie gebiert neue Ungeheuer. Kann man glauben, was in „Dark“ (2018) zusammenzuwachsen scheint? Ist im Bild etwas verborgen, das man übersehen hat? „Ink“ (2019) und „Atomic Eve“ (2019) sind Bilder voller kompositorischer Schönheit und Faszination. „Ink“ inspiriert von japanischer Tuschezeichnung; „Atomic Eve“ von surrealistischer Malerei. In Kombination mit dem Titel entstehen Verweise und Assoziationsketten („Atomic Eve“: Comicfigur, Eva, Paradiesgarten, Bikini, Bikini Atoll, Atombombe, Trumps Aufkündigung der Atom-Abrüstung, etc.), die letztlich wieder in die Realität zurückführen. Zugleich schaffen die Titel zum Bild einen selbstironischen Humor, weg von den strukturellen Krisendiagnosen der Tagesmedien. Man kann die Welt gänzlich neu entdecken, in dem man sie aus anderer Perspektive betrachtet. Man kann der Welt gänzlich neue Dimensionen hinzufügen, indem man sie neu erfindet. Ralf Brueck ist ein Künstler, der Fotografie als konzeptuell wichtigstes Medium gestalterischer Bildproduktion versteht. Mit seinen farbintensiven, freien und emotionalen Aufladungen von Landschaft geht es weniger um Fake-Fotografie oder digitale Manipulation, denn um eine Freiheit des künstlerischen Bildes, wie sie einst die Expressionisten propagierten und in der bei Bedarf die Sonne auch „grün“ fotografiert werden kann.
Sabine Maria Schmidt
Kunst & Denker Contemporary is pleased to invite you to the Opening of artist Ralf Brueck, who places virtuosic and inventive, in his latest series of works "Synthesis", views of cultural landscapes into the picture that rely on the irritating grandeur of visual artificiality and mutability. Almost everyone has photographed one or the other motif: Californian palm groves, cultivated succulent beds in holiday resorts, stalactite caves, forest paths and treetops, dragon trees in the botanical garden, cherry blossoms and undulating grain fields. But what seems familiar in Brueck's photographs takes on an alchemistic transformation. With an unusual eye for details and views, with few interventions and a daring palette of colors, Brueck develops unseen imaginary worlds of landscapes in the digital age and merges them with a broad repertoire of traditional pop culture. The world can be completely rediscovered by looking at it from a different perspective. Ralf Brueck is an artist who understands photography as the conceptually most important medium of artistic image production. With its color-intensive, open and emotional charged landscape, it is less about fake photography or digital manipulation than about a freedom of the artistic image, as it was once propagated by the expressive artists and in which the sun can also be photographed "green" if necessary.
Sabine Maria Schmidt
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier
Ralf Brueck, GEFÄHRLICHE SCHÖNHEIT, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Franz Schuier