TIM BERRESHEIM - HAPPY FINGERS
6. November 2015 – 15. Januar 2016
In Tim Berresheims Bildwelten stehen sich das Digitale und das Physische als paritätische Bildelemente gegenüber. Es sind sorgfältige Arrangements der Opulenz und Ausdruck von Berresheims technischer Finesse. Die am PC, unter Einsatz von 3D-Rendering Programmen, erstellten Arbeiten scheinen auf jedwede ermüdende Spekulationen um vorhandenen Realitäten durch den Modus der totalen Relativierung zu antworten: Weder das fotografierte Objekt noch das digitale Rendering sind im Bildträger der Fotografie weniger ´real´ als das jeweils andere. In diesem Sinne versteht es sich, dass Berresheim eine Grenzziehung von analog und digital hinter sich gelassen hat. Seine Hyperrealitäten umfassen alles. Der Titel der Edition B-B-Baby (You ain´t seen nothing yet), die anlässlich der ersten Ausstellung bei Kunst & Denker Contemporary erscheint, verspricht Großes. Was wir bisher nicht zu sehen vermochten, lässt sich vielleicht in der Variation des Seherlebnisses vermitteln. Denn für noch mehr plastische ´Realität´, hat Berresheim sein komplexes Geflecht aus gerenderten Schnüren und Haaren, dem grimassierenden Mund, Handschuh und Pflaster gleich zweifach herstellen lassen: Eine Version, die für das Betrachten mit 3D-Brillen vorgesehen ist und eine ohne. Doch fragt diese Dopplung weniger nach dem Wahren, als mehr nach dem Möglichen. Tim Berresheims Bilder neigen gerne dazu, das Auge des Betrachters überreizen zu wollen. Schon vom mittig zentrierten Aufbau her gleichen die Arbeiten einer Bühne auf der visuelle Exzesse gefeiert werden. Bunt und überbordend, wie sie ohnehin sind, wird man zusätzlich von Lautmalereien und Satzfragmenten, in Form von integrierten Zeichnungen (von Andi Thissen), angebrüllt. Was die Arbeiten sicherlich am wenigsten wollen ist dem Betrachter eine meditative Ruhe zu gönnen. Für ein vielleicht umso größeres Seherlebnis, konzipierte Berresheim die meisten der Arbeiten für Kunst & Denker Contemporary als 3D Prints, sodass das Glatte um eine vermeintliche Plastizität bereichert wird. (oder um des schieren Anblickes willen, sich mit aufgesetzter Brille gegenseitig zu unterhalten) Seine Wimmelbilder, die Ansammlung scheinbar beliebiger zueinander gesetzter Objekte und Formen sind als Ausdruck dessen zu lesen, dass bei all der Schärfe, die allgemeine Fokussierung zusehends in Mitleidenschaft gezogen wird. Hyperinformation, Hyperrealität und Hypervisibilität als Symptone unserer Zeit. Alles ist so da. Immer. Überall. Gleichzeitig. Jeder Winkel ist High Definition, nichts entgeht dem potenziellen Blick. Woran soll man sich halten? Die Trennung von Virtuell/Digital und Real/Analog ist nicht mehr möglich und unzeitgemäß, da beides gleichermaßen zu einem ständigen Exponiert-Sein beiträgt. Nackte Informationen überschütten und überfordern einen. Damit ist ein Lernen verbunden, die Dinge so zu nehmen wie sie sind. Was haben Haare mit Händen und Mündern und Pflastern zu tun? Wie bei der bekannten Begegnung mit der Nähmaschine und dem Regenschirm auf einem Seziertisch, muss oder sollte man das Rendezvous der Dinge so hinnehmen, wie sie sind. Der Künstler gibt keinerlei Hinweise. Die Entsagung einer linearen Erzählstruktur, kommt einer Ent-interpretation gleich. Für Berresheim gehört die Narration, als ein System von Macht, einer alten Zeit an. Der einst zentralperspektivische Raum, ausgerichtet auf eine Instanz, (Panoptikum) auf eine Erzählung ist, wie man heute sieht, nur eine Vereinbarung von vielen Modellen. Denn was die Digitalisierung der Visualität und Information mit sich bringt ist ein uns heute umgebendes Modell der Polyperspektivität. Millionen gleichzeitiger Blickwinkel prägen das Weltbild und das (Miss)Verstehen von Geschichte und ihrer Zeichen. Doch bei all der Ortlosigkeit in der Virtualität, ist es gerade die Bühne, in der Berresheim einen Anker findet, im indefiniten Raum einen Standpunkt einnehmen zu können – einen Anfang zu finden. Der Blick ´hinter das Bild, mittels der eigens entwickelten App, zeigt, dass allen Bildern ein künstlich begrenzter Raum als Grundlage dient. Und so wird besonders das Gemacht-Sein der Werke herausgestellt, trotz ihrer Digitalität, dass sie Produkt eines Handwerks sind, welches Expertise erfordert und keiner Photoshop Filtermagie. Das wiederkehrende Motiv der Hände legt dies zumindest nahe. Denn er ist es schließlich selbst, der die PC-Programme um- oder neuschreibt, mit denen er am PC arbeitet. Das Verständnis von dem Wie?! ist dem verstehen des Was?! und Warum?! in besonderer Weise vorangestellt, sodass sich der Knoten des WTF? allmählich zu lösen beginnt.
Tim Berresheim, HAPPY FINGERS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Tim Berresheim, HAPPY FINGERS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Tim Berresheim, HAPPY FINGERS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Tim Berresheim, HAPPY FINGERS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Tim Berresheim, HAPPY FINGERS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi
Tim Berresheim, HAPPY FINGERS, Kunst & Denker Contemporary, exhibition view: Celine Al-Mosawi